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Ethik & Philosophie

Was ist Ethik?

Kinder haben die Gabe, große Fragen so beiläufig in den Raum zu stellen, dass Erwachsene darüber stolpern. Mama, woraus ist die Erde gemacht? Papa, warum gibt es Bäume? Oma, wohin gehen Hamster, wenn sie tot sind? Anders als die Fragen, die wir uns für gewöhnlich stellen (Wann kommt der Bus? Muss ich Brot kaufen?), halten Kinderfragen den Alltag für Augenblicke an, unterbrechen die Routinen des Daseins und lenken den Blick auf Größeres. In Gedanken reisen wir dann in die ferne Vergangenheit des Planeten oder die nahe Zukunft des Haustiers. (Und denken vielleicht insgeheim: Wohin gehe ich, wenn ich dem Hamster nachfolge?) — K. Morgenthaler / Greenpeace Magazin 1.22

Als vermutlich älteste Wissenschaft greift die Philosophie das Staunen über unsere Welt (und alles, was darüber hinaus geht) auf und lädt zum kritischen Nachdenken ein: über das Leben vor dem Tod, über große und kleine Wünsche, über das Werden, Wachsen und Vergehen, über gut und böse, wahr und falsch, gerecht und ungerecht, gleich und ungleich, richtig und verwerflich sowie über den wichtigen Unterschied zwischen Wissen, Glauben und Meinen. Im Ethik-Unterricht unserer Grundschule lernen Kinder, eine Meinung zu entwickeln, diese fair und konsequent zu vertreten, schlüssig zu argumentieren und gemeinsam selbst zu denken. Einen Rahmen bieten die vier Grundfragen des Philosophen Immanuel Kant aus dessen Metaphysik der Sitten, zu denen auf dieser Seite einige Beispiele für die Unterrichtsgestaltung aufgeführt sind.

  • Was kann ich wissen?
  • Was soll ich tun?
  • Was darf ich hoffen?
  • Was ist der Mensch?

Unsere Ethik-Lehrer:innen Frau Hardt und Herr Beyer unterstützen die Kinder darin, Werte zu reflektieren. Informieren Sie sich hier über dieses spannende Fach, das Sie an unserer Schule als sogenanntes „Ersatzfach für Religion“ für Ihr Kind wählen können. Es wird in allen Jahrgängen 2 Unterrichtsstunden pro Woche im Kursverband unterrichtet.

wissen — glauben — meinen

Woher kommen Blitz und Donner, fragten sich einst die Römer:innen — und glaubten an einen Gott des Donners, der in vielen Legenden und antiken Erzählungen eine Gestalt bekommt. Mit dem Aufkommen wissenschaftlicher Forschung und dem Zulassen eines wissenschaftlichen Dialogs gewannen die Menschen immer mehr Gewissheit, viele Religionen sind nun vom Glauben an einen Gott gekennzeichnet. Manche Menschen sind heute gänzlich vom Glauben abgefallen. Oder doch nicht?

Der Ethik-Unterricht begreift sich nicht als Alternative zu Religion. Im Gegenteil: Er befasst sich mit Deutungsangeboten und den wichtigsten Erzählungen der großen Weltreligionen, setzt sich aber auch kritisch mit der Entstehung von Religion innerhalb und außerhalb europäischer Denktraditionen auseinander, mit Spiritualität und mit dem individuellen, entstehenden Glaubenskonzept der Kinder. So kann in Zeiten von Glaubenskriegen und religiösem Fanatismus ein gleichwürdiger Dialog zwischen den Religionen entstehen. Religiöse Deutungen und Rituale gehören selbstverständlich zu unserem kulturellen Gut, strukturieren den Verlauf des Jahres und greifen große Fragen in unseren kleinen Köpfen auf. Erst Blicke in die Vergangenheit erlauben uns Blicke in die Zukunft.

Schließlich eint uns Menschen die Sehnsucht nach dem (Weg zum) Glück, der eudamonia. Was Glück ist, was den Unterschied zwischen Glück haben und glücklich sein ausmacht und ob Glücksbringer wirklich Glück bringen können, ist Gegenstand im Glücks-… ääh, Ethik-Unterricht.

Glauben heißt nicht wissen, und wer zu wissen meint, hat damit noch keine Meinung. Was – so fragt es Immanuel Kant zusammenfassend – kann ich wissen? Was unterscheidet Wissen von Wahrheit, und gibt es nicht auch mehrere Wahrheiten? Darf ich lügen, wenn ich dadurch jemanden rette? Und warum lohnt es sich, ehrlich zu sein?

Es ist unerlässlich, Kindern frühzeitig die Unterscheidung der Begriffe Wissen, Glauben und Meinen zu vermitteln: Damit ihnen Werte im Ethik-Unterricht nicht vermittelt werden, sondern sie die Werte und Normen ihrer Gesellschaft selbständig reflektieren können. Der Ethik-Unterricht orientiert sich dabei an den Vorgaben des Dresdener Konsens, der 2016 vom Fachverband Ethik e.V. und dem Forum für Didaktik der Philosophie und Ethik veröffentlicht wurde und unter anderem ein Indoktrinationsverbot vorgibt.

Zum Reflektieren gehört es auch, Werkzeuge des Philosophierens an die Hand zu bekommen, wie sie etwa der Philosophiedidaktiker Jonas Pfister vorschlägt: Schlüssiges, rationales Argumentieren, logisches Denken und die Entwicklung einer kritischen, im gesunden Maße zweifelnden Haltung werden in vielfältigen Methoden im Ethik-Unterricht umgesetzt.

Was soll ich tun?

Ziele für eine lebenswerte Welt

Kennen Sie das Wort „enkeltauglich“? Es steht noch nicht im Duden, was ein Versäumnis ist. Denn es ist ein anderer Ausdruck für nachhaltig – nur viel besser. Manchmal kann man ja den Eindruck bekommen, es tobe ein Krieg der Generationen. Die Älteren würden auf Kosten der Jüngeren den Planeten vervespern – aus Gier und Gleichgültigkeit. Dabei ist das falsch, viele Großeltern sind stolz auf ihre Enkelkinder und trauen ihnen viel zu, zum Beispiel, wenn sie sich bei Fridays for Future für eine enkeltaugliche Zukunft engagieren oder zu Hause beim Abendessen unter dem Eindruck des Ethik-Unterrichts frischen Wind in die Gespräche bringen.

Wir setzen uns für nachhaltige Entwicklung ein. Im Ethik-Unterricht entwickeln die Kinder Ideen, wie sie mit globalen Krisen wie dem Klimawandel, Hunger, Pandemien und Kriegen aktiv umgehen können. Der Schutz der Umwelt gehört dazu, genauso wie Konzeptionen für ein gelingendes Miteinander in heterogenen Gemeinschaften.

Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen bilden nicht nur den Rahmen für die Auseinandersetzung. Sie korrespondieren auch mit den Menschenrechtskonventionen und im Besonderen mit den Kinderrechten, deren Vermittlung und Reflexion eine der Kernaufgaben des Ethik-Unterrichts ist.

Was darf ich hoffen?

Wir setzen uns für eine friedliche Welt ein. Doch wie lässt sich eine Welt gestalten, in der wir weiter hoffen dürfen? Auch feindliche Auseinandersetzungen, Konsumismus und Gier und die globale Ungerechtigkeit spielen bei uns eine Rolle.

Manche Kinder unserer Schule sind hier, weil in ihrer Heimat leider Krieg ist. Der russische Angriffskrieg beschäftigt uns im Moment sehr — zu Hause, in den Klassen und natürlich auch im Ethik-Unterricht.

Hier finden Sie Informationen für Kinder über diesen Krieg:
(externe Links)

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Was ist der Mensch?

Vom Ich zum Wir

Wie kann ich mich selbst besser verstehen?

Während Eisbären Einzelgänger sind und Wölfe in Rudeln leben, haben wir Menschen uns in den letzten Jahrhunderten auf eine ganz besondere, eben „menschliche“ Form des Zusammenlebens geeinigt: die Familie. Aber warum eigentlich? Wozu sind Familien da? Wie können wir füreinander einstehen, auch über die Grenzen der Familie hinaus? Und welche (traditionellen) Rollenbilder und Erwartungen fordern uns im Ethik-Unterricht zu der Frage hinaus: Muss das für immer so bleiben?

Wie unterscheide ich treffsicher Gut von Böse? Stimmen all meine Erwartungen an Jungen und Mädchen? Was ist der Unterschied zwischen sex und gender und warum stehen Mädchen wirklich oft wie verloren auf dem Fußballplatz? Wie bleibe ich, wie bleiben wir gesund? (Und was hat das mit meiner Brotdose zu tun?) Welchen Einfluss hat die digitale Welt auf mich? Verschmilzt sie mit der analogen – und worauf muss ich aufpassen? Warum denken Fremde ganz anders als ich?

Anhand vielfältiger Kinder- und Jugendliteratur, in theaterpädagogischen Rollenspielen und in der kritischen Auseinandersetzung mit Debatten der gegenwärtigen Öffentlichkeit beleuchten die Kinder im Ethik-Unterricht, wie ein Leben im Selbstvertrauen entsteht, wofür der eigene Name stehen kann, und wie auch das Zusammenleben mit Freund:innen, in der Familie, in der Schule, in vorgegebenen Machtstrukturen und in veschiedenen Formen von Gemeinschaft gelingen kann.

Emotionen zeigen Kinder von Geburt an. Schon sehr früh zeigen sie auf ihre Art, wenn sie Ungerechtigkeit empfinden oder ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigt sind. Resilienz vermittelt sich nicht von allein. Zwei Wege bietet der Ethik-Unterricht an: Die Frage, was denn nun Gerechtigkeit ist und was das mit Gleichbehandlung zu tun hat (oder auch nicht), führt die Kinder auf spannende Weise in die Auseinandersetzung mit philosophischen Grundfragen. Zugleich entdecken die Kinder auch ihre Gefühle, lernen neue Mittel des Ausdrucks kennen, setzen sich im Ethik-Unterricht ausgiebig künstlerisch und spielerisch damit auseinander und erfahren ganz praktisch, wie sie die Nerven behalten können ohne Gefühle zu unterdrücken.

Die Kinder lernen weiter, unfaire Konflikte zu verhindern, indem sie zuhören und nach der Absicht ihres Gegenübers fragen; indem sie vermitteln, ohne den eigenen Standpunkt zu verlieren. Sie lernen, aufrichtig und möglichst gewaltfrei zu kommunizieren und zu streiten. Und sie lernen, einander in ihrer Vielfalt zu begegnen und einander zu vertrauen. Dabei unterstützen erlebnispädagogische Methoden, die Spaß machen, zusammenschweißen und ein fester Bestandteil einer praktischen Umsetzung theoretischer Denkmodelle im Ethik-Unterricht sind.

Text: Gustav Beyer, lizenzfreie Fotos: Aaron Gilson, Ryan Howerter