Wohin führt diese Blutspur? Warum verhält sich der Gastwirt so verdächtig? Und was hat es mit dem zerbeulten Nummernschild auf sich? In 25 Krimis haben die Schüler:innen der Klasse 4c gezeigt, welches detektivische Gespür und belletristische Talent in ihnen steckt.
Im Rahmen ihres Deutschunterrichtes ging es für die Kinder zunächst auf die Bühne: Die Reise begann mit theatralischem Improvisieren, einer spielerischen Methode, um die Grundlagen des Kriminalgenres zu erforschen. Hier lernten die Kinder, wie man Alibis präsentiert, falsche Fährten legt und das Geheimnis um den/die Täter:in geschickt verbirgt. Diese interaktive Herangehensweise ermöglichte es den jungen Krimiautor:innen, die verschiedenen Elemente eines Kriminalfalls zu verstehen und in ihre eigenen Geschichten zu integrieren. Mit Mitteln des Improvisationstheaters schlüpften sie in die unterschiedlichsten Rollen. Aus der Perspektive der Täterin, des Opfers, eines Zeugen, des Alibis oder der Detektive lernten sie die verschiedenen relevanten Figuren des Genres am eigenen Leib kennen. Die Detektiv:innen, die bei der kurzen Planung nicht dabei waren, fanden jeweils Tatorte mit Spuren vor, anhand derer sie Täter:in und Tatmotiv ermitteln mussten. Dabei folgten die Kinder dem bewährten Whodunnit-Prinzip (Who has done it – Wer war der/die Täter:in), das sich die Meister:innen der Kriminalliteratur seit Arthur Conan Doyle und Agathe Christie zu eigen machten.
Das Krimiprojekt diente nicht nur als kreative Übung, sondern auch als Leistungskontrolle im Deutschunterricht. Die Kinder wurden ermutigt, ihre Fantasie zu nutzen, um fesselnde Handlungsstränge und clevere Wendungen zu entwickeln. In Schreibübungen erprobten die Kinder, wie sie das Erzähltempo variieren, Stimmungen, Personen und Orte beschreiben und die wörtliche Rede gezielt einsetzen konnten. Auch krimitypische Redewendungen wurden im Deutschunterricht vermittelt. Dass im Schreibfluss nicht jedes Tatmotiv explizit genannt wurde, ihr Allendörfer Detektivteam nicht näher beschrieben oder vereinzelt gar die ganze Tat vergessen wurde, sei den Viertklässler:innen verziehen. Spannung, Intrigen und kreative Einfälle jedenfalls enthält der Sammelband zur Genüge.
Die Geschichten waren so vielfältig wie die Köpfe, die sie erschaffen haben – von Explosionen beim Filmdreh in Oberrieden über Banküberfälle hin zu körperlichen Auseinandersetzungen im Fernbus. Auch eine ukrainische Mitschülerin schrieb einen mehrseitigen Krimi, der ins Deutsche übersetzt worden und im Buch abgedruckt ist. Thema ist hier die vergangene Zeltnacht der Klasse in Asbach, ihr Krimi beruht also zum Teil auf wahren Begebenheiten. Auffallend ist, dass die meisten Kinder brutalen Ereignissen wie Mordfällen gegenüber „harmloseren” Delikten den Vorrang gaben; Verbrechen, die in der gegenwärtigen Kinder- und Jugendliteratur kaum, dafür in digitalen Rollenspielen und Streamingportalen umso häufiger vorkommen.
Nach Wochen intensiver Ermittlungsarbeit und schriftstellerischer Hingabe erreichten die Kinder den Höhepunkt ihres Projekts. Die selbstverfassten Krimis wurden in einem beeindruckenden Hardcover-Buch gebunden – ein bleibendes Zeugnis ihrer Kreativität und harter Arbeit. Das Resultat: große Augen, als die Kinder ihr Weihnachtsgeschenk vor den Ferien öffneten – und ihr eigenes Werk in den Händen hielten.
Dieses Krimiprojekt war nicht nur eine innovative Art der Leistungsbewertung, sondern auch eine Gelegenheit für die Kinder, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern und ihre Kreativität zu entfalten. Es zeigte, dass Leistungskontrollen Spaß machen können, wenn sie in Form von spannenden Geschichten und detektivischen Abenteuern daherkommen. Und wer weiß, vielleicht haben wir hier die zukünftigen Krimiautor:innen von morgen entdeckt?
Text: G. Beyer, Illustrationen im Buch von einer künstlichen Intelligenz nach Vorlage der Krimigeschichten